• HAYATO MIZUTANI



    • Text von Anja-Lückenkemper

      Viele von Hayato Mizutanis Arbeiten weisen ein Interesse an Transformationsprozessen auf und lassen sich als Form einer eigenen Wissensproduktion lesen. Ein Aspekt seiner künstlerischen Praxis ist dabei beeinflusst von seinen Erfahrungen zwischen unterschiedlichen Kulturen. In einem anderen kulturellen Kontext findet Mizutani eine neue, eigene Maßeinheit, um unsere Welt zu verstehen, beziehungsweise um Ordnung aus der Welt zu machen. Anstatt Sprache verwendet er Techniken wie etwa Perspektivwechsel und Mathematik. Oder er verwendet Zustände, wie zeitliche Dauer und physikalische Distanz, um gesellschaftliche Aspekte oder kulturelle Codes zu verstehen. Auf diese Art setzt er sich immer wieder mit Übersetzungs- und Transformationsprozessen, als Versuche etwas zu Verstehen, auseinander.

      In der Arbeit „Das fünfte Jahr“ findet diese Auseinandersetzung mit Übersetzung im wortwörtlichen Sinne statt: Ein Jahr lang hat der japanischstämmige Künstler jeden Tag ein unbekanntes deutsches Wort aufgeschrieben, übersetzt und sich so angeeignet. Das Ergebnis ist ein Schuber mit zwölf nach Monaten geordneten Büchern. Was als sprachliche Übung begonnen hat, entwickelt über den Verlauf des Jahres jedoch noch eine andere Bedeutung. Die ausgewählten Wörter erzählen uns von dem Kontext und dem Leben eines Ausländers in Deutschland. Mizutanis Erzählung ist unprätentiös, er entwickelt eine Art Bewusstseinsstrom, der seinen Alltag, persönliche Gefühle und gesellschaftliche Situation gleichermaßen dokumentiert. Dabei macht er immer wieder auf die Leerstellen und Lücken aufmerksam, die sich auftun zwischen dem, was man ausdrücken möchte und dem, was man in einer fremden Kultur ausdrücken kann. „Das fünfte. Jahr“ zeigt, wie Mizutani einen eigenen Weg, eine eigene Struktur oder Technik entwickeln muss, um seine neue Umwelt zu verstehen und sich selbst verständlich zu machen.

      Um Aspekte des Sichtbarmachens dreht sich auch die Fotoarbeit „1g of salt“. Hier untersucht der Künstler den Perspektivwechsel und das Zählen als Formen und Techniken des Verstehens. Für „1g of salt“ hat Mizutani die Körner eines Päckchens Salz gezählt. Für den Künstler liegt dabei der Wunsch zugrunde kennenzulernen, wie etwas – in diesem Falle ein Tütchen Salz – genau ist. Es geht in vielen von Mizutanis Arbeiten also um eine Form der Wissensproduktion, die die Leerstellen kultureller Unübersetzbarkeiten füllen kann. Durch Fotogramm-Technik auf einer speziellen Folie hat er die circa 30.000 Kristalle in siebenfacher Vergrößerung sichtbar gemacht und nummeriert. Mizutani verändert die Wahrnehmung, die wir von einer Sache haben, indem er den Gegenstand der Betrachtung auf eine andere Weise zeigt. Sei es indem er das Volumen von einem Liter Wasser in Form von 1000 Tropfen auf dem Hochschulflur installiert, oder indem er die Distanz zwischen Deutschland und Japan als eine Sammlung an Spaziergängen bemisst.




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